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Tagungsinhalt

Gelöbnisse und professionelle Kodizes sind fester Bestandteil des Selbstverständnisses der Gesundheitsberufe. Die Binnenmoral dieser Berufe und ihr Professionsethos, das in ihnen zum Ausdruck kommt, bieten den in Medizin und Pflege Tätigen Orientierung. Gleichzeitig stellen sie die Basis für Vertrauen und Ansehen dar. Auch wenn die ethischen Grundlagen des Professionsethos der medizinischen Berufe prima facie unumstritten sind – das Patientenwohl und die Selbstbestimmung der Patient*innen – so werfen neue gesellschaftliche und technologische Entwicklungen die Frage auf, ob es notwendig ist, das Professionsethos neu zu interpretieren, seine Inhalte zu erweitern, gar zu ändern und seine Geltung auszudehnen. Schließlich stellt sich dadurch auch die Frage, ob diese Grundlagen selbst kritisch zu hinterfragen und anzupassen sind.
Debatten zu Diskriminierung und Diversität, zu strukturellen Ungerechtigkeiten der Gesellschaft, zur (Ent-)Ökonomisierung, aber auch zu Anforderungen der Public Health, wie sie während der COVID-19-Pandemie deutlich geworden sind, verweisen auf die Frage, wie Themen der Gerechtigkeit angemessen in einem Ethos adressiert werden, das traditionell auf Beziehungen zwischen Individuen ausgerichtet ist.
Die Digitalisierung führt neue Akteursgruppen wie Programmierer*innen und Tech-Firmen in die medizinischen und pflegerischen Berufsfelder. Sollten sie sich dementsprechend ein Professionsethos geben, das sich an demjenigen der adressierten Gesundheitsberufe orientiert?
Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Die Musterberufsordnung der Bundesärztekammer sieht die Mitwirkung an der „Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen“ als Aufgabe der Medizin (§ 1 Abs. 2 MBO-Ä). Welche Implikationen haben in dieser Hinsicht der Klimawandel und die Forderung Nachhaltiger Entwicklung für das Gesundheitswesen und die Medizin? 
Schließlich verweisen diese Probleme auf den globalen Kontext, in dem medizinische und pflegerische Berufe stehen. Gibt es ein globales Ethos dieser Professionen? Und wenn ja, warum, bzw. wenn nein, warum nicht? Ist beispielsweise der International Code of Medical Ethics (ICoME) eine überzeugende Antwort? Welche Implikationen haben hier neuere Entwicklungen, wie etwa das Konzept der One Health, und Anpassungen internationaler Richtlinien?

Themenfelder

Grundlegende Perspektiven:
  • Entwicklungen des beruflichen Selbstverständnisses in historischer wie prospektiver Perspektive 

  • kritische Fragen an die epistemischen und ethischen Grundlagen beruflicher Selbstverständnisse im Gesundheitswesen 

  • (Ent-)Ökonomisierung und das professionelle Selbstverständnis in den Gesundheitsberufen 

Gerechtigkeitsaspekte:
  • Demographischer Wandel, inter- und intragenerationale Gerechtigkeit und das Professionsethos in den Gesundheitsberufen 

  • Diskriminierungsdebatten, Marginalisierte Gruppen und das Professionsethos in den Gesundheitsberufen 

  • Kulturell-religiöse Diversität und Berufsethos 

Neue Akteure und Technologien:
  • Neue Technologien und das Berufsethos: Digitalisierung, weiter zunehmende Technisierung des gesamten Gesundheitssektors 

  • Neue Akteure und das Professionsethos in den Gesundheitsberufen 

  • Autonomie der Gesundheitsprofessionen (als Ganze) oder der in diesen Professionen Tätigen (als Einzelne) 

Globale Herausforderungen:
  • Nachhaltige Entwicklung, Klimawandel, One-Health-Ansätze und das Professionsethos in den Gesundheitsberufen 

  • Globalisierung, Globale Ethik und das Professionsethos in den Gesundheitsberufen 

  • COVID-19-Pandemie, Public Health und das Professionsethos in den Gesundheitsberufen